Ein Nachbar aus einem unserer Bündnishäuser Pestalozzistr. 4 ("Pilothaus") hat ein in einiger Hinsicht sehr interessantes erstinstanzliches Urteil des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vorzuweisen: Die Richterin hat den Wirtschaftlichkeitsparagraphen der EnEV (verpflichtet Ämter dazu, Ausnahmegenehmigungen zu erteilen, wenn die durchzuführenden Maßnahmen unwirtschaftlich sind) derart interpretiert, dass auch der Mieter ein Recht habe, seine Zustimmung zu einer Modernisierung zu verweigern, wenn diese für die Mieter deutlich unwirtschaftlich ist. Wörtlich:
"Die Beklagten haben [...] nicht die Dämmung der Fassade zu dulden.
[...] nach Auffassung des Gerichts muss der Gedanke von §25 Abs. 1 EnEV auch im Rahmen des §555 d Abs. 1 BGB berücksichtigt werden. [...]
Erst nach ca. zwanzig Jahren würde erstmals die Umlage niedriger sein als die eingesparte Heizenergie.
Da kann von einer modernisierenden Instandsetzung aber nicht mehr die Rede sein [...].
Nach Auffassung des Gerichts können die Beklagten die Unwirtschaftlichkeit der Maßnahme bereits im hiesigen Duldungsverfahren einwenden.
[...]
Bei der wirtschaftlichen Härte [§555 d Abs. 1 Satz 2 BGB] wird abgewogen, ob dem Mieter anhand seines Einkommens [...] die zu erwartende Mieterhöhung im Hinblick auf die Energieeinsparungen
zuzumuten ist.
§ 25 Abs. 1 EnEV hingegen lässt eine Ausnahme von der Verpflichtung der Dämmung zu, wenn bei bestehenden Gebäuden innerhalb einer angemessenen Frist die eintretenden Einsparungen nicht
erwirtschaftet werden können.
[...]
Da ein Vermieter [...] die Möglichkeit hat,. die Unwirtschaftlichkeit der Gesamtmaßnahme [...] geltend zu machen, muss dies nach § 242 BGB auch für den Mieter möglich sein."
Auch andere Aspekte des Urteils sind interessant. So wird den Mietern z.B. zugestanden, dass sie den Ersatz des Gasherdes durch einen E-Herd nicht hinnehmen müssen, weil dies keine
Wohnwertverbesserung darstellt. Auch den Einbau von Kunststofffenstern müssen die Mieter nicht dulden, "denn es ist gerichtsbekannnt, dass durch den Einbau von Kunststofffenstern keine
nachhaltige Einsparung von Heizkosten eintritt, da durch das Erfordernis des häufigeren Lüftens der Wohnung keine Einsparung von Heizenergie erzielt werden kann."
Beide Seiten werden in dieser Sache in Berufung gehen (die Mieter, weil sie eine Änderung des Grundrisses ihrer Wohnung hinnehmen sollen, die Gesobau wegen dem o.g.).
Auch die Seite "Hausgeld-Vergleich" greift das "bahnbrechende Urteil" auf:
http://www.hausgeld-vergleich.de/Deul_FuerdiePresse_19022015.htm
Lesen Sie das Urteil in seinen wesentlichen Stellen hier:
Ein solches Urteil hat es unseres Wissens seit Einführung der EnEV noch nicht gegeben. Die Argumentation der Richterin folgt in dieser Hinsicht ziemlich genau unserer Argumentation: Es kann nicht
angehen, dass die Vermieter die EnEV dazu missbrauchen, mit ökologisch mehr als fragwürdigen und ökonomisch völlig unsinnigen Maßnahmen das Mietrecht dahingehend auszuhebeln, dass Mieter keine
Chance haben, dagegen vorzugehen.
Insbesondere die Fassadendämmung mit ihrem fragwürdigem ökologischen Nutzen (praktisch gemessene Einsparungen bei ca. 12%, relativ kurzlebiges Dämmmaterial mit ungeklärter Entsorgung) und ihrem
großen ökonomischen Schaden für die Mieter (bei allen uns bekannten Modernisierungen der Gesobau einer der größten Kostentreiber) wird missbraucht, um Modernisierungsumlagen zu generieren, die
auf anderem Wege gar nicht erreichbar wären.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dies ein sehr, sehr interessantes erstinstanzliches Urteil ist, welches v.a. deutlich zeigt, dass das Wissen um den mit der EnEV betriebenen Missbrauch
inzwischen auch in den Gerichten angekommen ist.